Der knorrige Chemieprofessor Borodin und sein geschliffener, temperamentvoller Fürsprecher Tscherepnin bescheren den Liebhabern der Symphonik fünf Viertelstunden aufregender Orchesterkultur.
Alexander Tscherepnin / Alexander Borodin
Aaron Copland, der einflußreiche Einwanderer aus Litauen, erhob seinen Kollegen Alexander Tscherepnin in den Rang eines „amerikanischen Komponisten ehrenhalber“; für Toru Takemitsu war er die „Vaterfigur der japanischen Musik“; im Vorkriegs-China stieg er gar zur rechten Hand des Kultusministers auf – doch nie hat der musikalische Weltbürger, der sich innerhalb kürzester Zeit auf praktisch jedem Parkett mit Glanz und Glorie bewegen konnte, seine russischen Wurzeln verleugnet. Noch wenige Jahre vor seinem Tode kam er zu etlichen Konzerten nach Deutschland, bei denen er nicht nur seine eigene vierte Symphonie zur Aufführung brachte, sondern auch gern die zweite Symphonie seines Landsmannes und Namensvetters Alexander Borodin dirigierte.
Wie gut die beiden Komponisten sich miteinander vertragen, demonstriert die vorliegende CD, die Colosseum aus zwei verschiedenen Produktionen der frühen siebziger Jahre gekoppelt hat: Die geradezu knorrige Sprache des mehr oder minder autodidaktischen Chemieprofessors Borodin steht hier in ihrer ganzen Urgewalt neben der konstruktiv gezügelten und doch mitreißend emotionalen, orchestral unerhört feinen Komposition Tscherepnins, der zum Beispiel in dem irrwitzigen Paukensolo des zweiten Satzes bei aller Noblesse die Schleusen seines Temperaments aufreißt. Alexander Borodins dritte Symphonie, ein zweisätziges Fragment, rundet die CD aus der Reihe Russische Meisterwerke ab.
Track listing
Alexander Borodin (1833-1887)
Symphonie Nr. 3 a-moll *
[1] I Moderato assai 8:05
[2] II Scherzo: Vivo. Trio. Moderato 9:39
Alexander Tscherepnin (1899-1977)
Symphonie Nr. 4 E-dur op. 91
[3] I Moderato 9:32
[4] II Allegro 6:08
[5] III Andante con moto 11:04
Alexander Borodin
Symphonie Nr. 2 h-moll
[6] I Allegro – Animato assai – Poco meno mosso – Animato assai – Tempo 1 8:23
[7] II Scherzo: Prestissimo – Allegretto – Tempo 1 5:28
[8] III Andante – Poco animato – Tempo 1 – attacca 8:32
[9] IV Finale: Allegro 7:13
TT: 74:21
Nürnberger Symphoniker
Unter der Leitung von Günter Neidlinger* • Räto Tschupp